Die Hafenstadt Mumbai, ehemals Bombay, lädt ein zur Ersten Internationalen Boat Show. Mumbai ist die Wirtschaftshauptstadt des boomenden Indiens. Die Schicht der potentiellen Käufer luxuriöser Superyachten steigt hier im Gegensatz zu Europa und Amerika weiterhin rasant an. Der Traum vom Tellerwäscher zum Millionär ist hier noch Realität.
Auch die gehobene Mittelschicht in Indien, die durch den Boom der Computer- und Elektronikbranche das nötige Kleingeld für eine kostspielige Wochenend-Beschäftigung hat, verlangt nach – für Indien – neuen Alternativen.Klein, aber fein beschreibt es am Besten. Auf 2500 qm Ausstellungsfläche im Bandra-Kurla Complex und an einem 50 Meter langen Bootssteg, der für die Ausstellung vor dem Taj (sprich: Tatsch) Mahal Hotel in unmittelbarer Nähe des Gateway Of India angelegt wurde, zeigen 55 Aussteller ein Angebot, das von kleinsten Segelbooten bis hin zu Großbildpräsentitionen der Oberklasse-Yachten reicht.
Gestandene Hersteller wie Princess, Azimut, Beneteau, Sunseeker und Nautor sind vertreten, auf der anderen Seite aber auch neue Lichter im Markt wie die erst zwei Jahre produzierende Five Star Marine Ltd., die mit Motor-Yachten klassischer europäischer Bauweise auf sich aufmerksam macht.
Hersteller von Zubehör haben im Schlepptau der Werften ebenfalls ihre Angeln ausgeworfen, um den Markt kennenzulernen und erste Kontakte zu knüpfen. So war zu erfahren, dass die Mehrzahl zuvor noch keine Ambitionen in Indien hegten, aber im Zuge der Messe mit lokalen Firmen ins Gespräch gekommen sind, bzw. schon im Vorfeld der Veranstaltung feste Distributionsverträge geschlossen haben.
Einige Anbieter haben bereits Erfahrungen in der kommerziellen indischen
Schifffahrt, jedoch ist der Freizeitbereich in Indien nicht einmal in den
Kinderschuhen. Die Infrastruktur ist, einfach gesagt, nicht vorhanden, bzw. so
dürftig, dass erst eine gesalzene Investition diesem Markt eine
Chance geben wird.
Sofern ein Markt besteht, wird dieser zur Zeit von den Engländern
beherrscht, die auch den größten Teil der Aussteller ausmachen.
Nicht
verwunderlich, da die Engländer immer noch starken Einfluss auf die
indische Wirtschaft haben, auch wenn sich das Land schon vor langer Zeit
von seinen Kolonialherren getrennt hat.
Dieser Zwiespalt war auch während der Messe zu beobachten, einerseits
sind die Inder stolz auf ihre eigenen Produkte, andererseits findet sich
auch in "rein" indischen Produkten immer mal wieder europäisches
Material, das in Indien zur Zeit noch nicht produziert wird oder
werden kann und als besonderes Qualitätsmerkmal angepriesen wird.
Der international tätige deutsche Hersteller Clement Yacht Harbour Systems lässt sich durch Clement Gulf in Dubai vertreten. Die in Rostock ansäßige Firma, bekannt durch ihre hochqualitativen Schwimmstege und Anleger könnte eine Rolle beim Aufbau der Yacht-Häfen spielen, sofern der Hype um den Wassersport anhält und sich Investoren finden.
Einziger deutscher Aussteller ist der seit 12 Jahren in Indien
lebende Guido Bothe, der sich zusammen mit seiner Frau Shama unter
dem Label Chinkara Motors 80 km südlich von Bombay in Alibaug
eine Existenz aufgebaut hat. Alibaug ist das Wochenendparadies der
Schönen und Reichen Bombays.
Bothe hat unter anderem ein 21-Meter-Speedboot für die indische Polizei
gebaut und sucht auf der Messe nach weiteren Kunden, für die er
kundenspezifische Boote und Yachten bauen kann. Auch sein Angebot an
Landfahrzeugen ist technisch elegant und sehenswert.
Unerwartet das Auftreten von Nigel Irens, dem Top-Designer des Trimarans, mit dem Ellen MacArthur den Weltrekord für die schnellste Einhand-Weltumseglung aufstellte. Kurz gesagt, er ist auf der Suche nach Menschen, die mit ihm Visionen umsetzen können. Ein Mensch, der immer noch mit beiden Beinen auf der Erde steht. Mehr muss nicht gesagt werden.
Die Ausstellung zu Wasser am eigens dafür errichteten Bootssteg war
mit durchschnittlich fünf bis sechs Booten etwas spärlich besetzt,
wenn man von den Erwartungen "mehr als 20" ausgeht.
Als Hauptattraktion stellte sich ein in Indien nach dem Design des
legendären James Wharram gebauter Segelkatamaran heraus. Der
Bootbauer Rajesh Desai (siehe Interview) erfuhr erst 10 Wochen vor
der Messe von dem Ereignis und stellte in kürzester Zeit einen
hochseetüchtigen Katamaran vor, der den Traum
vieler indischer Segler widerzuspiegeln scheint. Herr Desai ist einer der
zwei indischen Aussteller, die Boote selbst herstellen, alle anderen sind
nur als Importeur tätig.
Der Tenor der Veranstaltung war im Wesentlichen sehr positiv, der Stromausfall am letzten Tag, der zum Ende der Veranstaltung die Klimaanlage im Messezelt lahmlegte, konnte die positive, teilweise fast euphorische Stimmung auch nicht mehr beeinträchtigen. Mit diesen Dingen muss in Indien einfach gerechnet werden. Und wer Indien schätzt, der lernt auch die kleinen Atempausen zu schätzen, die so ein Ausfall mit sich bringt.
Die Erste Internationale Boat Show in Indien war sehr übersichtlich mit verhältnismäßig wenig Ausstellern. Die Qualität dieser Messe kann jedoch gerade deshalb mit anderen internationalen Messen mithalten, weil die Mehrheit der Aussteller nun mit einem Bein in einem Markt steht, der in Zukunft einer der größten der Welt werden kann. Mit einem Wirtschaftswachstum von über 8 Prozent und einem Küstenstreifen, der mehr als das halbe Land umschließt, sind die Voraussetzungen gegeben. Nicht zuletzt ist die Dichte der Dollar-Millionäre in Mumbai höher als in Manhattan.
Bleibt noch die Frage offen: Ist dieser Markt nicht auch für deutsche Hersteller interessant?
Rajesh Desai, seines Zeichens Marine-Ingenieur, befuhr bisher auf Frachtschiffen alle Weltmeere. Er hat sich mit einem kleinen Team in Kamshet, ca. 100 km von Mumbai entfernt, niedergelassen und betreibt seine eigene Bootswerft an einem idyllischen See.
STS: Guten Tag, Herr Desai! Sie haben einen schönen Katamaran vor dem Gateway Of India ausgestellt. Ist das Ihr erstes Boot?
Herr Desai: Ja und Nein, es ist das erste Boot in der 30 Fuß-Klasse. In den letzten vier Jahren habe ich allerdings bereits Jollen, Kayaks und einen 14 Fuß-Katamaran gebaut. Auf meiner letzten 8-monatigen Fahrt als Bordingeneur habe ich zusammen mit meiner an Bord lebenden Frau Harinda die Baupläne des Tiki 30 studiert und sie hat ein Modell der ARK erstellt, das uns sehr geholfen hat, die einzelnen Bauphasen genau zu planen.
STS: Mit dem eigentlichen Bau des Katamarans haben Sie erst Anfang Dezember angefangen, war das nicht etwas kurzfristig?
Rajesh: Ja, das war sogar sehr kurzfristig, aber zu Beginn war der
Zeitplan noch ein anderer, weil wir von der Ausstellung noch gar nichts
mitbekommen hatten. Der Bau wird im Bauplan mit 6 - 9 Monaten angegeben,
darauf hatten wir uns eingestellt.
Kurz nachdem wir mit dem Bau begonnen hatten, habe ich von der Boat Show
erfahren und mir war klar, dass die ARK bis zu dem Zeitpunkt
fertig werden musste.
Bis zum letzten Tag hab ich noch an dem Boot gearbeitet, die ARK ist in nur
zweieinhalb Monaten fertig geworden und wir alle haben teilweise nur
wenige Stunden
geschlafen, weil wir bis zu 16 Stunden am Stück gearbeitet haben. In der
Zeit haben andere an Ihrem Messeauftritt gefeilt, für uns war das
erst einmal Nebensache, weil das Boot fertig werden musste. Wir haben das
Kabinendach noch lakiert als die Transport-LKWs schon vor der Tür
standen. Wir hatten einen Termin, und wir haben ihn eingehalten, das war eine
gute Erfahrung, die uns für die Zukunft gerüstet hat.
STS: Rajesh, wann haben Sie beschlossen, Ihren Job als Marine-Ingenieur aufzugeben und ganz in den Bootbau zu wechseln?
Rajesh: Im Jahr 2002 war ich mit meiner Frau für ca. ein Jahr in Neuseeland. Dort habe ich meinen ersten Katamaran aus der Nähe gesehen. Seit dem habe ich dieses Ziel vor Augen. Ganz aufgegeben habe ich meinen Job allerdings noch nicht, ich kann jederzeit wieder anheuern und auf einem Frachter als Bordingenieur arbeiten ... und ganz ehrlich, wenn ich die ARK nicht verkaufen kann, werde ich die nächsten fünf Jahre kein Land unter die Füße bekommen.
STS: Dann haben Sie also ihr gesamtes Geld in den Bau gesteckt?
Rajesh: Ja, die ARK ist viel teurer geworden, als ich gedacht hatte, aber ich wollte nicht am falschen Ende sparen und musste einige Teile teuer in England einkaufen, oft war die Fracht teurer als das eigentliche Material. Allein das Segel und die Beschläge haben schon ein halbes Vermögen gekostet.
STS: Warum haben Sie sich für das Design von James Wharram entschieden?
Rajesh: Die ARK besteht aus Holz, Glasfaser und Epoxy, diese Bauweise kannte ich bereits von meinen anderen Booten, und meine Mitarbeiter hatten die nötige Übung, da lag der Entschluss nahe. Zudem ist das Tiki 30 ein schöner und flotter Katamaran, den man für viele Zwecke einsetzen kann, sowohl für Küstenfahrten als auch für die hohe See, auch zur Schulung ist es durch seine einfach Handhabung geradezu ideal, auf Kundenwunsch kann der Mittelteil auch mit einer Kabine ausgestattet werden.
STS: Das Tiki 30 ist fertig. Was steht als nächstes auf Ihrem Plan?
Rajesh: Natürlich hoffe ich, dass die Gespräche auf der Messe
den gehofften Erfolg zeigen. Ich habe inzwischen Baupläne für
unterschiedlichste Bootsformen, so dass ich auf die Ansprüche meiner
Kunden eingehen kann und die Boote nach ihrem Bedarf bauen kann.
Rajesh (verschmilzt lächelnd): Die LKWs, die das Tiki abgeholt haben,
hatten eine 45 Fuß-Ladefläche, da ist noch einiges drin.
STS: Haben Sie noch irgendetwas, was Sie loswerden möchten?
Rajesh: Ja, ohne die Unterstützung meiner Frau Harinda wäre das Projekt nicht rechtzeitig fertig geworden. Sie war zusammen mit mir auf dem Frachter und hat die Pläne studiert. Sie hat alle Schnitte errechnet und auf das Holz übertragen, das durch unsere Schreiner später bearbeitet wurde. Sie hat die Genehmigungen erkämpft, die nötig sind, um das Schiff überhaupt nach Bombay bringen zu dürfen. Das war eine großartige Leistung.
STS: Hat mich sehr gefreut. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Stefan Schumacher (www.schumacher-netz.de)